Pietro, seine Lehrerin und der Frauenheld
Der realistischste und komischste von Ammanitis Chaoten-Romanen. Lauter Möchtegern-Helden und -Casanovas mit den aberwitzigsten Ideen im Kopf – die sie dann auch noch durchziehen zu können glauben. Natürlich geht alles schief, was schiefgehen kann. Lesenswert auch wegen Ammanitis unnachahmlich präzisen Dialogen und knappem Stil, der nur so sprüht vor Witz, Ironie und Detaileinfällen.
Doch die burleske Erzählweise darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ammanitis Protagonisten bedauernswerte Schicksale haben. Pietro Moroni etwa ist zwölf und wohnt in dem (fiktiven) Städtchen Ischiano Scalo am Tyrrhenischen Meer. Wo unsereiner einen unbeschwerten Urlaub verbringt, erlebt Pietro eine Kindheit unter verschärften Bedingungen: zerrüttete Familien, Arbeitslosigkeit, elende Wohnblocks, gleichgültige Lehrer, Perspektivlosigkeit, Kleinkriminalität, das Fehlen von Werten und Orientierung. Die Menschen stecken fest und schlagen ihre Zeit tot. Im Grunde will jeder nur »fort von hier«, egal wie und wohin. Doch keiner hat die Mittel dazu – es fehlt an Geld, Bildung, Qualifizierung, Mut.
Einer aber kehrt dorthin zurück: Graziano Biglia hat sich als Musiker »draußen« in der Welt durchgeschlagen, eher schlecht als recht, und glaubt nun, in seinem Heimatort Eindruck schinden zu können, vor allem bei den Frauen ...
Ammanitis Meisterschaft besteht darin, dass er seinen Leser mit in den Sog hineinzuziehen weiß, in den seine Protagonisten geraten, ob sie wollen oder nicht. Ihre Nöte wachsen ihnen über den Kopf, in den alltäglichen Reibereien um geringe Vorteile werden sie von allen Seiten bedrängt, bis sie sich plötzlich in einer Situation finden, in der ihnen keine Entscheidungsfreiheit mehr bleibt und sie zu Verbrechern werden. Das Ganze erzählt er so spannend, dass man das Buch nicht beiseite legen mag; einer seiner Tricks ist, dass er jedes der kleinen Kapitelchen mit einem cliffhanger beendet und dann erst einmal einen anderen Erzählstrang aus anderer Perspektive fortführt, ehe wir erfahren, was aus der Sache wird ...
Ein markanter Schauplatz sind die Thermalquellen von Saturnia.
Ulrich Hartmann hat den Roman ins Deutsche übersetzt: »Fort von hier«