Eine überdrehte Nummer
Eine grauenerregende Horde sind sie, die Bestien des Abaddon – mit Haut und Haar dem Bösen verschrieben, und kein geringerer als Satan ist ihr Idol. Schade nur, dass bloß noch vier übrig sind in ihrem Bunde. Die anderen sind alle abtrünnig, zur Konkurrenz abgesprungen. Jetzt hat Saverio Moneta, der Anführer, ein riesiges Identitäts- und Marketing-Problem am Hals, denn großen Staat kann er mit seinen zwei Mitbrüdern und einer -schwester nicht veranstalten: Der eine kränkelt, der andere wiegt ziemlich viel, und Silvietta taugt zu nicht viel mehr als zum Joint-Drehen und zum Kaffeeklatsch. Außerdem müssen sich alle vier auch mit Problemen der ›echten‹ Welt herumschlagen – Saverio zum Beispiel bedrängen eine Ehefrau nebst deren Vater und seiner Möbelfabrik. Da bleibt kaum Zeit und Muße fürs geheime Wirken im Dienste Luzifers. Sollte er vielleicht doch besser das Jobangebot des Rivalen Kurtz Minetti annehmen und Gebietsleiter der Kinder der Apokalypse für Mittelitalien werden? Nein – lieber mit der eigenen kleinen Truppe einen gewaltigen Coup landen und sich damit selbst als Größten in den Markt … tja, was: sprengen? morden? bomben? schlachten? brennen? …
Eine geeignete Bühne mit garantierter maximaler medialer Aufmerksamkeit tut sich auf, als Sasà Chiatti, Immobilienmogul und Lebemann sowie unermesslich reich an Geld und Einfluss, einen verfallenen alten Park samt Villa mitten in Rom zu einem privaten Vergnügungspark aufpeppt und zur Einweihung eine gigantomanische V.I.P-Party zu inszenieren plant …
Niccolò Ammanitis fünfter Roman (2009 erschienen) ist nicht minder amüsant als sein zweiter, »Fort von hier« von 1999, mit dem er eine ähnliche Handlungsstruktur teilt: Ein paar chaotisch veranlagte, sich selbst und ihre Möglichkeiten maßlos überschätzende Kleinbürger männlichen Geschlechts setzen sich in den Kopf, jetzt mal endlich was ganz Tolles zu vollbringen; aber nachdem sie ein paar Kugeln ins Rollen gebracht haben, verlieren sie jegliche Kontrolle, wurschteln sich irgendwie durch; ein Schnitzer, ein Malheur jagt das nächste, bis am Ende alle vor einem gigantischen Scherbenhaufen stehen.
Eigentlich müsste man den Kopf schütteln über solche Typen – wenn man sie ernst nähme. Doch Ammaniti zeichnet sie leichthändig, vollständig aus ihrer merkwürdigen Weltsicht heraus und dazu in einem unnachahmlich anschaulichen, von Details überschäumenden Erzählstil. Da bleibt uns gar keine Pause zum Luftholen, so kullert die prallvolle Handlung den Hang hinab, um an einer Mauer zu zerplatzen.
Hier aber hat Ammaniti sich vorgenommen, auch noch gewisse gesellschaftliche Führungskreise seines Landes satirisch zu zerlegen. Natürlich wird man an Silvio Berlusconis Lebensstil und Begleittross denken; natürlich werden uns Karikaturen fragwürdiger Promis aus dem Tratsch-Fernsehen, aus Sport und dem Kulturleben präsentiert. So ist der zweite Protagonist neben Saverio Moneta ein hochstaplerischer Romanautor namens Fabrizio Ciba, der noch immer effektvoll auf der Welle seines früheren Erfolges surft, aber in Wirklichkeit ziemlich ausgebrannt und innerlich hohl ist. Durch ihn finden wir Zutritt zu Kreisen, die Saverio Moneta verschlossen bleiben.
Während Ammanitis sprachliches und erzählerisches Geschick auf der Höhe der Vorgänger-Bücher geblieben ist und durchaus (dank der Übersetzung durch Ulrich Hartmann und Petra Kaiser) ein reines Lesevergnügen beschert, wird der Genuss durch eine unbefriedigende Handlungsstruktur und die Übersteigerung ins maßlose Groteske am Ende beeinträchtigt. Bei allem Verständnis für satirische Übertreibung und Ammanitis Neigung zu Trash und Pulp Fiction gehen ihm schließlich ebenso die Pferde durch wie den Bestien des Abaddon.
Bitte lesen Sie hier meine ausführliche Rezension zur Originalausgabe von Niccolò Ammaniti: »Che la festa cominci« auf Bücher Rezensionen: »Frustrierte Kleinbürger, ausgebuffte VIPs und die Spätfolgen des Kalten Krieges«.