Ein Zabaione-Krimi
Literarisch ein Leichtgewicht, aber als Dessert nach dem Italienisch-Kurs genau das Richtige!
Eine deutsche Opernsängerin, Anne-Marie Hofer, macht in Rom Furore. Ihre Stimme überzeugt Publikum und Kritiker, ihre Weiblichkeit lockt die Männerwelt. Von zwei Liebhabern lesen wir: Fabio Pellegrino schied vor einiger Zeit aus dem Rennen, kämpft aber noch um Wiederzulassung, während Federico Rinaldi sich derzeit der Favoritenrolle erfreut, aber aus gewissen Gründen nicht aus dem Vollen schöpfen darf.
Federico Rinaldi ist nämlich ein ziemlich hohes Tier im Vatikan. Und als Kardinal muss er allergrößte Vorsicht walten lassen, dass nicht das Geringste über seine Affäre mit der Diva bekannt wird. Auch der Ruf der Kirche steht ja auf dem Spiel. Nur einer ist überhaupt eingeweiht: Miro, sein junger Adlatus. Den hatte es als Junge aus Bosnien nach Italien verschlagen, Rinaldi hatte seinen festen Charakter und sein Talent erkannt und ihn gezielt gefördert. Auf seine Ergebenheit kann der Kardinal bauen.
Durch einen Zufall schöpft nun ausgerechnet Fabio Verdacht. Er ist nämlich Kardinal Rinaldis Chauffeur und wird unbeabsichtigt Zeuge einer scheuen Abschiedsszene zwischen seinem Chef und seiner Ex.
Am nächsten Morgen ist Anne-Marie Hofer tot. Hauptverdächtiger ist Fabio, den eine Nachbarin kopflos aus der Wohnung der erstochenen Diva stürzen sah ...
Wie Fabio, unterstützt von seiner Schwester Beatrice, seine Unschuld zu beweisen sucht, gegen die doch alles spricht, wie seine Eminenz alles unternimmt, um außen vor zu bleiben, und wie commissario Mauro Marelli mit seinem tüchtigen Team sich Schrittchen für Schrittchen der Wahrheit nähert, das erzählt Massimo Marano in unaufgeregter, gut aufgeräumter Weise. Der Leser ist immer und überall dabei – bei jedem Verhör, jeder Autofahrt, jedem Abendessen, jeder privaten Unterredung. Alle Hypothesen und strategischen Züge werden genau erläutert: Mitraten möglich. Aus diesen Zutaten hat der Autor ein aufgeschäumtes dolce kreiert, das dem Italienisch-Lernenden nicht die Nerven zerfetzt, sondern ihm alle Ruhe lässt, damit er sich auf interessante Vokabeln, Phrasen, Syntax und Grammatikphänomene konzentrieren kann. Das sprachliche Niveau (Alltagsvokabular, übersichtliche Hauptsätze) ist nicht zu schwer; gelegentliche Verwirrung mögen allerdings die nachlässig gesetzten Satzzeichen stiften.
Während also der literarische Wert des Krimis eher bei drei Sternen anzusiedeln ist, ist der sprachliche Nutzen unbestritten. Die Reihe »dtv zweisprachig« richtet sich an Leser, die ihr Sprachverständnis auf genüssliche Weise verbessern möchten. Man liest zügig den italienischen Text auf der linken Seite und wird die deutsche Übersetzung auf der rechten weitgehend unbeachtet lassen, bis man an einer unklaren oder kniffligen Stelle innehält, sich seines Verständnisses vergewissern möchte oder einer kleinen Hilfestellung bedarf. Das ist bequem und funktioniert gut. Sie werden erstaunt sein, wie rasch man sich ›einlebt‹, je mehr Seiten man verschlungen hat. Ohne bewusste Anstrengung verleibt man sich wiederkehrende Grundstrukturen (wie Verbformen der Vergangenheit und Konditionalsätze) und den thementypischen Wortschatz ein.
Die deutsche Version auf der rechten Seite (sie stammt von Yola Schmitz) orientiert sich zumeist ganz eng am italienischen Original und weicht nur gelegentlich etwas ab, damit gutes, flüssiges Deutsch entsteht.
Die bewährte Reihe »dtv zweisprachig« umfasst aktuell ca. 24 Titel, die nach Schwierigkeitsgrad (für Einsteiger – Fortgeschrittene – Könner) differenziert sind und zumeist abwechslungsreiche Sammlungen kurzer Texte enthalten, wie zum Beispiel »Profumo d'Italia | Ein Hauch Italien« von Valeria Vairo [› Rezension]. »L'ultimo applauso | Der letzte Applaus« und »Un caso d'amore | Ein Fall von Liebe« (vom selben Autor) sind bislang die einzigen Langtexte; beide richten sich an Fortgeschrittene.