Ein bunter Teller netter Krimigeschichten
Ein Cover wie ein Scherenschnitt fürs Fenster, in diesem typischen Weihnachts-Rot, das man aus skandinavischen Einrichtungshäusern kennt – wie schön! Man muss schon genau hinschauen, um darauf die zwischen Rentier, Socken und Sternen versteckten Utensilien zu erspähen, die verraten, dass es hier um Morde gehen soll: Da oben baumelt ein Messer, dort eine Pistole, hier gar eine Handgranate! Das lässt Gruseliges erwarten, ebenso wie die vierzehn Autorennamen, die meisten wohlbekannt.
Bücher und Musik-CDs für die Advents-
und Weihnachtszeit finden Sie hier.
Der liebevoll gestaltete Umschlag mit seiner glänzenden Lackschrift verführt zum Spontanzugriff beim Geschenke-Einkaufsbummel. In der Tat ist das Buch eine hübsche kleine Aufmerksamkeit für liebe Bekannte, Freunde und Verwandte, das sich obendrein perfekt als Deko macht, so gut passt es zu klassischen roten Kerzen am Adventskranz.
Hingegen halten die Texte unter Umständen nicht so ganz, was das Äußere verspricht. Wer einfach nur leichte Unterhaltung für die Pausen zwischen schweren Mahlzeiten sucht, wird mit diesem Buch völlig zufrieden sein. Wer Thrill braucht, sicher nicht. Wer stets kritisch den Realitätsgrad der Handlung überwacht, wird häufig die Stirn runzeln. Wie gehen Weihnachten und Morden überhaupt in einem Buch zusammen? Bedarf es dazu nicht einer gehörigen Portion Ironie oder Sarkasmus, schräger Figuren, eines ›besinnlichen‹ Ambientes für die Taten, die augenzwinkernd ›liebevoll‹ und ›anrührend‹ erzählt werden? Das aber bieten diese dreizehn skandinavischen Weihnachtsgeschichten auch nicht.
Also sicher Spannung, die finstere Winterabende noch dunkler werden lässt? Obwohl den versammelten skandinavischen Autoren der Ruf vorauseilt, dass sie in diesem Fach besonders kompetent seien, fehlt es hier an Raffinesse. Trotz Handgranatenexplosion und ein paar Toten sind etliche Geschichten recht dröge erzählt, rätselhaft konstruiert oder steuern auf vorhersehbarem Kurs. Zwei Beispiele:
»Die Asche« (von Olle Lönnaeus) – das sind die sterblichen Überreste von Elsas und Amandas Vater. Sie sollen auf See verstreut werden, »ohne irgendwelchen Firlefanz«, haben die Schwestern beschlossen. Damit spart man auch eine teure, schwere Urne. Deshalb schwenkt Amanda das Aschehäufchen in einer Netto-Plastiktüte durch die Gegend. Elsa (die Ich-Erzählerin) ist zwölf Jahre älter. Sie hatte die Familie gleich nach dem Abitur verlassen. Dreißig Jahre später kommt sie nun zu Vaters Bestattung zurück. Sein Lächeln, sein trauriger Dackelblick, seine Großzügigkeit bleiben ihr unvergesslich. Doch als Amanda sie fragt, »Was ist deine stärkste Erinnerung an ihn?«, da mag sie nicht aussprechen, was ihr wirklich durch den Kopf geht … Nach einem originellen, skurrilen Anfang geht es recht durchsichtig weiter, und deswegen verrate auch ich Ihnen nicht, was Elsa bewegt.
Otto Christian Aamodt hat den Kanal restlos voll. Jedes Jahr um diese Zeit schleichen Diebe durch den nächtlichen Wald und schlagen sich klammheimlich einen Baum fürs Fest. Und dann muss er auch noch diese dämlichen Ausreden über sich ergehen lassen, wenn er jemanden auf frischer Tat ertappt. Wie sagte jener Vater mit seinem Sohne? Es sei doch ein viel schöneres Erlebnis, »gemeinsam im Wald einen Weihnachtsbaum zu schlagen, statt ihn in dem Gewimmel vor dem Einkaufszentrum zu kaufen.« Noch dreister war das Liebespärchen, das es sich mit Isomatte und Picknickkorb im Wald gemütlich eingerichtet hatte und dreist verkündete, sie würden auf dem Rückweg einen Baum mitnehmen – »falls sie einen passenden sähen.« Am meisten macht Otto sein Nachbar zu schaffen: Mathias Amadeus Schreiner, verheiratet mit Mayoree, einer Thailänderin. Der Mann fährt Schwertransporter durch Europa und hat genügend Knete, um sich locker jede Edeltanne zu kaufen, die in sein Haus passt. Trotzdem lässt er sich den jährlichen Zweikampf des sportlichen Baumklaus nicht entgehen.
Aber das wird sich ändern! Diese Leute werden Otto kennenlernen. Er wird seinen Wald bewachen. Jetzt sitzt er dort mit Marschverpflegung und Axt bestens gerüstet auf einem Baumstumpf und harrt der Diebe, die da kommen. Da ist schon der erste – Mathias Amadeus Schreiner natürlich. »Der Idiot hatte eine Sturmhaube übergezogen«, aber Otto kann er damit nicht täuschen. Kaum setzt der Mann die Säge an den Baum, haut Otto mit »der stumpfen Seite der Axt zu«. Das wird dem Widerling eine Lehre sein. Doch seltsam: Zu Hause findet Otto einen Korb mit Leckereien samt Grußkarte: »Wir wünschen unserem Nachbarn frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr! Mathias und Mayoree« … »O Tannenbaum« (von Thomas Enger) ist ebenfalls eine sehr nette, amüsante Geschichte, doch ahnt man wiederum früh, wen Otto im Wald erwischt hat …
Wie bei allen Sammlungen ist es auch hier ein Leichtes, geschätzte Autoren wiederzutreffen oder bisher unbekannte auf angenehme Art zu entdecken. Nach meinem Geschmack waren auf diesem bunten Teller allerdings keine Leckereien dabei, die Eindruck machen oder nachhaltig im Gedächtnis bleiben.
Die folgenden Autoren und Übersetzer haben an diesem Band mitgewirkt (in alphabetischer Reihenfolge):
Herausgeber: Sibylle Klöcker
Autoren: Kari Brænne, Arne Dahl, Åke Edwardson, Thomas Enger, Michael Hjorth, Mons Kallentoft, Hans Koppel, Robert Kviby, Leena Lehtolainen, Olle Lönnaeus, Kristina Ohlsson, Hans Rosenfeldt, Viveca Sten, Johan Theorin
Übersetzer: Ursel Allenstein, Anne Bubenzer, Susanne Dahmann, Maike DörriesGünther Frauenlob, Christel Hildebrandt, Sibylle Klöcker, Angelika Kutsch, Dagmar Lendt, Antje Rieck-Blankenburg, Lotta Rüegger, Kerstin Schöps, Gabriele Schrey-Vasara, Holger Wolandt