Rezension zu »Den Nächsten, der Frohe Weihnachten zu mir sagt, bringe ich um« von Johannes Engelke

Den Nächsten, der Frohe Weihnachten zu mir sagt, bringe ich um

von


Weihnachtliches · Teil der Serie »Weihnachtliches« · Droemer · · Gebunden · 400 S. · ISBN 9783426199862
Sprache: de · Herkunft: de

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Na dann: »Frohe Weihnachten!«

Rezension vom 12.10.2013 · noch unbewertet · noch unkommentiert

Warum nur so gereizt? Wo Weihnachten doch das Fest der Liebe ist und man folg­lich jedem Passanten von Herzen ein »frohes Fest« wünscht! Und nun sol­len Weihnacht und Mord zusammengehen? Wie das?

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Die zwölf Kriminal­geschichten in dieser Sammlung sind auf unterschiedlichste Weise mit den Feiertagen verknüpft – durch die Wetterlage, einen Namen, einen Wunsch, einen Kerzenständer, einen Markt oder schlicht durch das Datum – nur durch eines nicht: Besinnlichkeit. Im Gegenteil: Die eine oder andere Er­zählung ist so nervenaufreibend, dass einem das Blut in den Adern gefriert, selbst wenn draußen mal wie­der Frühlingswetter herrscht statt dass der Schnee leise rieselt und den Schneehasen Tarnung verschafft.

Diese possierlichen Tierchen machen sich ja rar; nur selten wagen sie sich aus dem schützenden Forst. Dann zieht es sie zu den heimeligen Wohnstätten der Menschen, wo sie im Wohlstandsmüll ohne Mühe Nahrung finden. Das kann gefährlich werden, zum Beispiel, wenn sie sich auf einen Grünstreifen vor­wagen. Während sie unbekümmert vor sich hin mümmeln, tobt um sie herum der Straßenverkehr. Und oops, schon ist es um ein naseweises Häschen geschehen. Wir klugen Menschen aber erfahren, dass seine fatale Kollision mit einem Auto keine Folge zufälligen Zusammentreffens, sondern das blutige Resultat eines perfiden Plans war. Jemand hatte das Gefährt manipuliert, die Bremsfunktionen deaktiviert. So sollte der Kraftfahrzeugführer nachempfinden, wie es sich anfühlt, »zum Mörder wider Willen zu werden« …

Kann man sich eine Krippe ohne den guten Josef vorstellen? Na, das geht ja wohl gar nicht. Dennoch fragt Autor Daniel Holbe: »Wer braucht schon Josef?« Aber sein Josef ist kein Zimmermann, sondern heißt »Zimmermann« und ist auch kein Guter. Er verkehrt mit zwielichtigen Gestalten wie einem Türsteher und einem versierten Autoknacker. Wie Zimmermann Josef ist Josef Zimmermann verheiratet. Seine Holde heißt nicht Maria, sondern Marylie, und sie hat wegen ihres Metiers (Taschendiebin) begnadet flinke Hände. Von dem Kleinkram hat sie jedoch die Nase voll; jetzt will sie es wissen und mal richtig Geld ab­schöpfen. Die Gelegenheit dazu bietet sich gerade an, denn aus dem im Prinzip abgelaufenen Techtel­mechtel mit einem stinkreichen Frankfurter hat sie von ihm ein Baby an der Backe und könnte den verhei­rateten alten Sack somit erpressen. Für diese Aktion braucht sie freilich Josefs Hilfe. Doch dann läuft der Überfall in der noblen Villa nicht ganz so wie geplant, und bald finden sich alle Beteiligten als Figuren in einer »lebendigen Krippe« wieder …

Das Konzept, verschiedene Schriftsteller, deren Namen noch nicht allgemein bekannt sind, mit kurzen Lese­pröbchen und ihrer »Autorenvita« gemeinsam in einem Buch vorzustellen, ist reizvoll, entdeckt man doch echte neue Talente.

Alex Berg etwa gestaltet ihr »Wintermärchen« als wahren Horrortrip. Protagonistin Manu muss dringend abschalten, ehe ihre Probleme sie überrollen. Partner Helge verlässt sie, böse Schnitzer bei der Arbeit in der Werbeagentur bringen ihr eine Abmahnung ein, nachts findet sie keinen Schlaf … Erholen kann sie sich am ehesten beim Joggen in freier Natur, bis der Rausch des Laufens sie davonträgt. Doch eines Tages muss sie sich vor einem Keiler und seiner Rotte auf einen Hochsitz retten – der Aufenthalt dort oben ent­wickelt sich zu einem Albtraum. Uralte grausame Erinnerungen überfallen sie, einstige und heutige Realität ver­mischen sich mit blutigen Fantasien. Großartig!

Simone Buchholz’ Erzählung »Das kalte Licht« spielt in einem Motel an einem Highway in Alaska. Merk­würdig: »Berichte von Leuten, die in dem Motel übernachtet haben, gibt es nicht.« Nicht dass sich nicht ab und zu Gäste einfinden würden. Gestern etwa kam ein Trucker vorgefahren. Obwohl selber dick und häss­lich, hat er dumme Bemerkungen über die lady an der Rezeption und ihr Kostüm gemacht. Aber dann lief es wie immer. Der ganze überflüssige Pröll, den der Kerl in seinem Fahrerhaus gebunkert hatte, ist rück­standslos entsorgt und der Laster im Endlager deponiert. Jetzt langweilt sich die Empfangsdame wieder zu Tode – wenn sie sich nicht ihrem Tagebuch widmet, wo sie in lakonischem Telegrammstil ihren Tages­ablauf samt Mahlzeiten und Gefühlen, Listen (»was überflüssig ist«) und spöttische Kommentare über Mit­men­schen festhält … Die vereinsamte Alte hat sich ein ganz besonderes eigenes Universum zurecht­gebastelt und sich selbst darin eine wichtige Aufgabe auferlegt: Sie muss die Welt sauber halten. Was für eine verrückte, skurrile Geschichte!

Jetzt ist aber Schluss! Die anderen Türchen dieses erzählerischen Adventskalenders bleiben schön zu. Las­sen Sie sich einfach von Tag zu Tag überraschen – jede Geschichte hat ihren eigenen Reiz.

Ein Band mit dem Titel »Den nächsten, der Frohe Weihnachten zu mir sagt, bringe ich um«, bar jeglicher christlicher Sinnbezüge, in finsteres Schwarz gebunden und mit Aufsehen erregendem blutrotem Buch­schnitt versehen, ist natürlich kein Geschenk für jedermann. Wer aber auch zur Advents- und Weihnachts­zeit auf Thrill, Makabres und Gruseliges eingestellt ist, wird sich über vierhundert Seiten davon im Niko­lausstiefel oder auf dem Gabentisch freuen.

Die zwölf Geschichten stammen von (in alphabetischer Reihenfolge) Zoë Beck, Alex Berg, Simone Buch­holz, Petra Busch, Frank Göhre, Markus Heitz, Daniel Holbe, Sven Koch, Claudio M. Mancini, Karen Rose, Heinrich Steinfest und Markus Stromiedel. Johannes Engelke ist der Herausgeber.


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