Rezension zu »Das Weihnachtsmarktwunder« von Ralf Günther

Das Weihnachtsmarktwunder

von


Weihnachtliches · Teil der Serie »Weihnachtliches« · Kindler · · Gebunden · 144 S. · ISBN 9783463406572
Sprache: de · Herkunft: de

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Geschnitzte Weihnachtselefanten für Dresden

Rezension vom 11.11.2015 · 2 x als hilfreich bewertet · noch unkommentiert

Familie Mo­sche­rosch feiert das ganze Jahr Weih­nach­ten, könnte man glau­ben, wenn man sie in ihrem Dorf Klein­hai­ni­chen im tiefs­ten Erz­ge­bir­ge auf­such­te. Fast im­mer ist je­der Winkel ihres Häus­chens ange­füllt mit nied­li­chen Tier­figu­ren aus Holz, mit denen man jetzt, zu An­fang des 19. Jahr­hun­derts, über­all gern den Tan­nen­baum, die Krippe oder die gute Stube weih­nacht­lich schmückt.

Doch weit ge­fehlt. Die klei­nen Kunst­werke sind im Haus Mo­sche­rosch keine Deko­ra­tion, son­dern das karge tägli­che Brot, denn die ganze Fami­lie arbei­tet jahr­aus, jahr­ein zusam­men, um sie her­zu­stellen. Ge­rade zum Christ­fest soll­ten alle Figür­chen aus dem Haus, die ge­samte Pro­duk­tion gut ver­kauft sein. Ob sie auf solcher­maßen ge­seg­nete Feier­tage hoffen dür­fen, ent­schei­det sich, wenn im De­zem­ber der Handels­agent ein­trifft. Er will sämt­liche Kisten mit dem sorg­sam einge­pack­ten fragi­len In­halt abneh­men, um sie auf dem Strie­zel­markt in Dresden an ei­nen Spiel­zeug­händler wei­ter­zu­ver­kaufen. Lei­der ist der Mann gierig und ein Hals­ab­schnei­der. Er versteht es, den Preis zu drü­cken, und da es in der abge­le­ge­nen Ge­gend kei­nen anderen Kauf­interes­sen­ten außer ihm gibt, hat er leichtes Spiel. So ist das we­nige Geld, das die Mo­sche­roschs für die Arbeit eines ganzen Jahres er­lö­sen, kaum genug, um sie über Wasser zu halten. Die Ar­mut ver­zehrt sie fast.

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Das Jahr, in dem Martin, der Äl­teste, fünf­zehn Jahre alt wurde, war arbeits­reich wie jedes an­dere. Fich­ten­stämme lagern meh­rere Monate im Mühl­teich, damit das Holz weich und elas­tisch wird. Dann sägt Vater eine dicke zy­lindri­sche Scheibe von dem Stamm ab, ent­rindet sie und spannt sie hoch­kant in seine Dreh­bank ein. Jetzt beginnt seine er­staun­li­che alte Kunst, das »Rei­fen­dre­hen«. Wäh­rend sich die Scheibe ra­send schnell dreht, drückt er seine schar­fen Klin­gen – mal eine breite, mal eine halb­runde, mal eine ganz feine – mit höchs­ter Kon­zen­tra­tion und Fin­ger­fer­tig­keit in das Holz, wo­durch so­wohl im Rand­bereich der Scheibe als auch an deren Außen­fläche parallele bzw. kon­zentri­sche Rillen, Ker­ben, Stufen, Ver­tie­fun­gen ent­ste­hen. Schließ­lich fräst er die inners­te Mitte um die Achse der Dreh­bank herum fast ganz weg und löst den pro­fi­lier­ten Kranz vom ver­bliebe­nen Rest der Scheibe. Erst wenn er die­sen Ring, der einer mo­der­nen Auto-Stahl­felge mit Reifen ähnelt, an einer Stelle auf­trennt und dann Scheib­chen für Scheib­chen ab­schnei­det wie Kuchen­stücke von einem Gu­gel­hupf, wird er­kenn­bar, wohin dieses raffi­nierte Ver­fah­ren zielt: Wie durch Zau­be­rei sind Dut­zende iden­ti­scher Figür­chen ent­standen – Ochsen, Esel, Pferde, Gänse ... Noch ist je­des nur ein kan­tiges Pro­fil, aber bald werden die ge­schick­ten Hände der ganzen Fa­mi­lie jeden Roh­ling ein­zeln be­ar­beiten, die Ecken run­den, Beine, Hufe, Ohren, Mähnen, Ge­sich­ter schnitzen und bemalen, bis ein wun­der­schönes lebens­echtes Schmuck­stück fertig ist.

Ein ganz be­son­deres Jahr ist dies trotzdem. Die Mo­sche­roschs haben ein neues, aus­gefal­lenes Modell her­ge­stellt, das hoffent­lich viele Men­schen zum Deko­rieren, Spie­len, Lieb­ha­ben und vor allem Kaufen einla­den wird: einen kleinen Ele­fanten. Das impo­sante Vor­bild ha­ben die meis­ten – Martin einge­schlos­sen – noch nie lebend gesehen. Was dem Jungen aber noch viel wich­tiger ist: Vater hat ihm verspro­chen, dass er den Agenten zum ers­ten Mal nach Dresden be­glei­ten darf, um ihre Er­zeug­nisse dort ab­zu­lie­fern.

Jetzt ist alles pünktlich fertig­gestellt, doch das Glück, so bescheiden es war, scheint die Familie jetzt ganz zu ver­las­sen. Klein­haini­chen versinkt im Schnee, der Handels­agent lässt auf sich warten, kommt schließ­lich gar nicht. Martin drängt den Vater, dass er mit ihm nach Dresden gehen solle, um die Ware selbst zu verkaufen. Doch der winkt ab, ist un­sicher und ängst­lich. Aber als die Ver­zweif­lung wächst, lässt er sich auf den Vor­schlag ein, denn »alles ist besser, als hier aufs Ver­hun­gern zu warten«.

Leider »liegt kein Segen auf deinem Plan.« Wel­che Schläge das Schicksal noch für die arme Familie be­reit­hält und was der freund­liche, aber unbe­darfte Junge schließ­lich in der gro­ßen Stadt erlebt, das erzählt Ralf Günther in die­sem hübschen kleinen Büch­lein. Wie die an­deren Titel der Serie aus dem Kindler-Ver­lag (z.B. »Wie der Weih­nachts­baum in die Welt kam« [› Rezension] ist auch dieser liebe­voll ausge­stattet. Gern verweilt man, um die feinen far­ben­frohen Zeich­nun­gen von Andrea Offer­mann zu betrach­ten und dem nach­zu­hän­gen, was man (vor-) gele­sen hat. Große Lite­ra­tur wird hier niemand erwar­ten, aber der Autor formu­liert sorg­fäl­tig und ein­fühl­sam, ohne dass es rühr­selig und kitschig wird. Den his­to­rischen Hinter­grund sei­ner Ge­schichte, die Fähr­nisse der ein­fachen, ärm­lichen Erz­gebirg­ler und ihres Kunst­ge­wer­bes vor zwei­hundert Jah­ren, hat er, wie er im Nach­wort erklärt, gründ­lich re­cher­chiert, ohne auf das Ver­gnü­gen zu verzich­ten, den Elefanten seiner Fan­ta­sie ge­legent­lich freien Lauf zu lassen ...

Wie es sich zum Christ­fest ge­hört, siegt zu­letzt das Gute – aber natür­lich will ich keinem Leser die Freude verderben, selbst mitzu­erleben, wie sich das »Weih­nachts­markt­wun­der« voll­zieht.


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