Beim Kneten des Brotteigs denkt Agata an die Liebe
La monaca - das ist Agata, die sechste Tochter von Don Peppino Padellani und Donna Gesuela Aspidi. Agata wächst in Messina auf, wo die Familie aus einem neapolitanischen Fürstengeschlecht zu den angesehensten gehört. Aber die finanzielle Basis, um die standesgemäße Fassade aus Palast, Personal und Partys am Glänzen zu halten, schwindet rasant. Konnten die vier ältesten Schwestern noch gut an bürgerliche Aufsteiger verheiratet werden, wird es bei der fünften eine Zitterpartie. Für die dreizehnjährige Agata aber gibt es, als der geliebte Vater stirbt (1839), kaum mehr Hoffnung, dass die Familie des Jungen, den sie innig liebt, jemals einer Heirat zustimmen wird. Die Mama zieht mit ihr nach Neapel, aber da der vornehme Padellani-Clan dort sich als zugeknöpft erweist, muss man sich bescheiden. Dem Mädchen bleibt allein der Weg in ein vornehmes Kloster, San Giorgio Stilita, in dem die Damen zwar abgeschlossen von der Außenwelt und nach religiösen Grundsätzen, aber komfortabel nebst Personal leben. Doch selbst für diese Pforte ist der Obolus kaum aufzutreiben; da hilft, dass die Äbtissin Agatas Tante und der Kardinal ebenfalls ein Padellani ist. Die verbitterte Donna Gesuela - selbst noch nicht einmal dreißig Jahre alt - will endlich ihrer eigenen Wege gehen (und wird sich in Palermo neu verheiraten), und so zieht Agata in San Giorgio ein (1840).
Beschützt, belehrt, geführt und gedrängt, lernt Agata alle Nuancen des Klosterlebens kennen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen: "Il monastero era un vespaio di gruppi e fazioni, divisi da gelosie, ripicche e campagne di odio ... Sotto la superficie calma, San Giorgio Stilita era tutto un ribollire di passioni malate." (S. 202) Klug und pflichtbewusst durchläuft sie die Stationen: prova, educanda, postulante, professione semplice, professione solenne, bis sie schließlich als monaca confessa "donna Maria Ninfa" wird (1846). In dieser Zeit hat sie gemäß der benediktinischen Regeln viel Praktisches gelernt: wie man kocht, wie man köstliche dolci zubereitet und dekoriert, wie man kunstvolle Devotionalien aus vielerlei Materialien bastelt, wie man Kranke pflegt, und alles über die medizinischen Eigenschaften der Pflanzen. Mit all dem trägt sie zu Wohlergehen und Einkommen der Klostergemeinschaft bei.
Nie jedoch verspürt sie die Berufung. Im Gegenteil: Von Anfang an ist sie hin- und hergerissen zwischen dem festen Willen, sich der ersehnten vocazione zu öffnen, und dem Wunsch nach Liebe zu einem Mann, zu ehelichem Leben, zu eigenen Kindern, zu aktiver Teilnahme an gesellschaftlichen Entwicklungen. Die Toleranz der Tante Äbtissin, eigene Tricks und treue Verbündete öffnen ihr Kommunikationswege nach draußen: Gerüchte, Journale und vor allem die neuesten Romane - zum Beispiel von Jane Austen - halten sie auf dem Laufenden und stärken ihren Drang, die engen Klostermauern inklusive der Intrigen wieder hinter sich zu lassen ...
Simonetta Agnello Hornby (die selbst aus Sizilien stammt, die weite Welt kennt, seit 1972 in London lebt und dort als Richterin arbeitet) porträtiert in ihren Romanen gern einen bestimmten Frauentyp (eigenständig, selbstbewusst, gegen Widerstände innerhalb der Familie und in der Gesellschaft um ihre Unabhängigkeit kämpfend) und zeichnet gleichzeitig die politische Entwicklung ihrer Heimat nach. Deren gedankliches Spektrum, die Ereignisse und Umwälzungen werden sachkundig berichtet und kommentiert, dienen aber nur als Hintergrundfolie. Die Geschehnisse in "La monaca" tragen sich in Messina und Neapel zwischen 1839 und 1848 zu, als der Boden für die italienische Einigung bereitet wird; "La zia Marchesa" und der historische Kriminalroman "La mennulara" umfassen die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts mit den sich verändernden Beziehungen zwischen den Schichten.
Süditalienische Eindrücke aller fünf Sinne durchwehen das ganze Buch. Für diesen Lesegenuss sorgt ein edler, breit differenzierter Wortschatz, gelegentlich gewürzt mit sizilianischen oder neapolitanischen Dialektbröckchen. Und wie schon in "La zia Marchesa" tragen die Kapitel Überschriften nach alter literarischer Tradition: Sie nennen ganz knapp Thema oder Handlung des Kapitels ("19. Agata pensa all'amore mentre impasta il pane"). Das ist schön, denn man ist gleich eingestimmt.
Die gebildete Schriftstellerin pflegt über weite Strecken einen chronikhaften Erzählduktus, der uns zusammenfassend berichtet, was passiert, gelegentlich auch Einzelszenen lebhaft schildert; nur die für Agatas Schicksal bestimmenden Passagen gestaltet die Autorin dialogisch. Auf diese Weise kann sie umfangreiche Handlungsabläufe über viele Jahre verarbeiten, ohne dass Detailreichtum oder atmosphärische Dichte zu kurz kommen. Im Gegenteil: In den meisten Kurzszenen finden sich wunderbare Miniaturen aus dem klösterlichen, adligen oder städtischen Alltag, die im Gedächtnis bleiben: Agatas subtile Empfindungen, wenn der Kardinal oder ihr Beichtvater ihre Wangen berührt; ihre Beobachtung, wie Ameisen den Fliesenfußboden überqueren - und welche Erkenntnisse sie daraus über ihre eigene Lage gewinnt; immer wieder präzise erfasste Zeremonien und Arbeiten des klösterlichen Lebens - oder einfach, wie ein Verkäufer neben dem Klosterportal gekochte Kartoffeln feil bietet.
Ein Meisterwerk der Erzählkunst ist die mitreißende Beschreibung der Prozession, die zu Ferragosto (15. August, Mariä Himmelfahrt) ganz Messina sieben Stunden lang in Ekstase versetzt: Starke Männer ziehen auf Kufen ein aberwitziges meterhohes Kunstwerk, bevölkert von Menschen und Pappmachee-Statuen, von raffinierten Mechaniken bewegt, auf bizarre Weise belebt vom schrillen Schreien Dutzender straff verpackter Säuglinge, die, von bitterarmen Eltern gespendet, als Engelchen an den Strahlen der Sonne und des Mondes rotieren. Manche nimmt Gott gnädigerweise noch während des Umzugs zu sich. Und über allem thront die (lebendige) Madonna.
"La monaca" ist noch nicht in deutscher Sprache erhältlich.
Weitere empfehlenswerte Bücher von Simonetta Agnello Hornby:
- La Monaca (2010): Rezension der italienischen Originalausgabe (auf Deutsch noch nicht erschienen)
- La zia Marchesa (2005): Taschenbuch in italienischer Sprache (Feltrinelli, 322 Seiten)
Die Marchesa (2007): Taschenbuch in deutscher Sprache (Piper, 448 Seiten) - La Mennulara (2004): Taschenbuch in italienischer Sprache (Feltrinelli, 209 Seiten)
Die Mandelpflückerin (Neuauflage im September 2011): Taschenbuch in deutscher Sprache (Piper, 320 Seiten)